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SCI Helvetia Chapter - Jäger und Ziegen: Ungewöhnliche Zusammenarbeit zur Erhaltung des Birkwildes
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Jäger und Ziegen: Ungewöhnliche Zusammenarbeit zur Erhaltung des Birkwildes

Von Manue Piachaud, deutsche Bearbeitung durch Michael Schomberg
Für Schweizer Jäger 06|24

In den Schweizer Alpen entwickelt sich eine bemerkenswerte Partnerschaft zugunsten des bedrohten Birkhuhns. Dieses Projekt ist das Werk des «Safari Club International Helvetia Chapter» und der «Association Alpine Tetrao Tetrix» (AATT), die sich dem Erhalt dieser charismatischen Vogelart widmet.

Die Anfänge

Die Anfänge der Zusammenarbeit reichen zurück zu dem Zeitpunkt, als das Safari Club International Helvetia Chapter und ein engagierter Wildhüter aus dem Kanton Waadt ihre Kräfte bündelten, um die Bestände des Birkhuhns zu schützen. Bereits seit 1990 bemühte sich der Wildhüter, die Jagd auf das Birkhuhn zu erhalten und gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Bestände zu vermeiden. Durch intensive Revierbegehungen und die Zählung des jährlichen Zuwachses mithilfe von Vorstehhunden wurde ein detailliertes Monitoring eingeführt. Die Abschussquote wurde auf 1 bis 10 Stück männliches Birkwild pro Jahr festgelegt. Zudem zielen die Hegemassnahmen darauf ab, ein vielfältiges Landschaftsmosaik aus Heidekraut, Heidelbeersträuchern, Weiden und Waldflächen zu bewahren. Besonders gegen die invasive Grünerle wurden Massnahmen ergriffen, da ihr Wachstum den Lebensraum des Birkhuhns durch Verbuschung bedroht.

Des Weiteren führt die durch die Grünerle hervorgerufene Erhöhung des Stickstoffgehalts im Boden dazu bei, dass vermehrt nitrophile Pflanzen wachsen, was nicht nur die Pflanzenvielfalt reduziert, sondern auch die Populationen von Insektenarten wie Käfern, Heuschrecken und Schmetterlingen, von denen sich die Birkhuhnküken ernähren.

Der Nutzen der Ziegen

Da festgestellt wurde, dass die Grünerle nach dem Abholzen durch den Menschen direkt nachwächst, wurde nach anderen Methoden zur Bekämpfung des invasiven Strauches gesucht.

Die ungewöhnliche Lösung: Ziegen

Ihr Einsatz zur Bekämpfung invasiver Pflanzen erwies sich als äusserst wirkungsvoll. Die Ziegen beweiden die Alpen und halten somit das Wachstum der Grünerle in Grenzen, was zu einer natürlicheren und abwechslungsreicheren Vegetation führt. Dies verbessert nicht nur den Lebensraum des Birkwildes, sondern unterstützt die Biodiversität der gesamten Region.

Das Prinzip ist einfach, aber äusserst wirksam: Im ersten Jahr fressen die Ziegen die Blätter der invasiven Pflanzen, im zweiten Jahr reissen sie die Stiele ab und im dritten Jahr beseitigen sie die Sträucher schliesslich vollständig. Wenn sie an Ort und Stelle abgestorben sind, verrotten die Stümpfe in den folgenden Jahren, so dass die Pflanzen in diesem Gebiet nicht weiterwachsen können. Durch diese gezielte Beweidung tragen die Ziegen dazu bei, die Verbreitung der unerwünschten Pflanzen einzudämmen und das Ökosystem zu revitalisieren.

In Anbetracht der begrenzten Präsenz von Ziegen auf den Waadtländer Alpweiden beschloss das «Safari Club International Helvetia Chapter», die Finanzierung für die Bekämpfung der invasiven Pflanzen durch Ziegen zu übernehmen. Zaunmaterial für eine 1,8 Hektar grosse Parzelle wurde bereitgestellt.

Unter der Leitung des Wildhüters und in Zusammenarbeit mit der Hirtin auf der Alp wurde eine geeignete Parzelle gesucht. Die Wahl fiel auf eine Alp in l’Arpille, oberhalb von Les Diablerets, die dann unter Mithilfe der Mitglieder des SCI Helvetia Chapter für die Nutzung vorbereitet wurde.

Ausweitung des Projektes

Zur Ausweitung dieses vielversprechenden Projekts hat sich der Safari Club International dazu entschieden, die Finanzierung für 10 Hektar Alpweiden zu sichern. Die Finanzierung, die zu gleichen Teilen von SCI Helvetia, SCI Europa und SCI USA bereitgestellt wurde, ermöglicht es, die Beseitigung invasiver Pflanzen in einem grösseren Massstab durchzuführen.

Die Herausforderung bestand jedoch darin, die Informationsarbeit und Überwachung des Projekts zu gewährleisten, da diese Aspekte nicht im Budget enthalten waren. Aus diesem Grund wurde im Januar 2023 die «Association Alpine Tetrao Tetrix» (AATT) gegründet. Diese von Jägern gegründete Vereinigung ist bestrebt, mit Personen und Institutionen zusammenzuarbeiten, die sich der wichtigen Rolle der Jagd beim Arten- und Naturschutz bewusst sind.

Die Suche nach Bergbauern, die bereit sind, ihre Ziegen auf der Alp zu weiden, gestaltet sich jedoch als Herausforderung. Viele Landwirte haben aufgrund der Rückkehr des Wolfes in die Schweiz ihre Ziegenherden von den Alpen zurückgezogen. Die Rückkehr des Raubtiers hat nicht nur die Arbeit der Hirten erschwert, sondern auch ihre Moral und Zukunftspläne für ihren Beruf beeinflusst. Obwohl die AATT von den Auswirkungen der Wolfspopulation betroffen ist, hat sie sich entschieden, sich nicht in die Kontroverse einzumischen. Stattdessen konzentriert sie sich auf ihre Mission, natürliche Lebensräume zu schützen und die Artenvielfalt zu erhalten.

Die Idee verbreitet sich

Die Initiative zur Nutzung von Ziegen zur Bekämpfung der Grünerle auf alpinen Weiden hat nicht nur Zustimmung gefunden, sondern auch leidenschaftliche Unterstützer für den Naturschutz und die alpine Landwirtschaft mobilisiert. Manue Piachaud, die Leiterin des Projekts, stiess bei verschiedenen Institutionen auf grosses Interesse und Unterstützung. Die Idee, Ziegen zur Ausrottung der invasiven Grünerle einzusetzen, begeisterte insbesondere die Gelbert Stiftung, die sich bereit erklärte, das Projekt direkt zu finanzieren. Durch diese finanzielle Unterstützung konnten neue Parzellen eingezäunt und ein Instrumentarium zur Bekämpfung der Grünerle entwickelt werden.

Der Enthusiasmus aller Beteiligten führte zur Erstellung eines vom Kanton Waadt mitfinanzierten Projekts durch die AATT im ersten Jahr. In Zusammenarbeit mit Agroscope (Landwirtschaftliches Forschungszentrum des Bundes) und Proconseil (Landwirtschaftliche Beratungsstelle) werden neue Methoden entwickelt und erprobt, die den mechanischen Schnitt mit der Beweidung durch Ziegen kombinieren. Das Ziel ist es, effektive, zeitsparende und auf die Bedürfnisse der Landwirte angepasste Methoden zur Entbuschung der Alpweiden zu finden.

Die Zusammenarbeit mit Bergbauern ist von entscheidender Bedeutung, da sie über ein fundiertes Wissen und praktische Erfahrungen verfügen, die für die Entwicklung nachhaltiger Massnahmen und langfristigen Erfolg unerlässlich sind.

Immer weniger Freiwillige … Jäger?

Um der Schliessung von Alpen durch Schlingpflanzen entgegenzuwirken, gibt es zahlreiche Initiativen, bei denen Freiwillige gross angelegte Arbeiten durchführen. Die Freiwilligen unterstützen die Förster, indem sie abgeschnittene Äste aufhäufen, die dann verbrannt werden oder als Unterschlupf für Reptilien dienen. Auf diese Weise können grosse Flächen in wenigen Tagen vom Bewuchs befreit werden, wofür ein Bergbauer mehrere Wochen benötigen würde. Im Rahmen eines kantonalen Projekts wurden 12 Hektar abgeholzt, was 130 Freiwilligentagen entspricht.

Seit mehr als 20 Jahren werden die Arbeiten zur Freihaltung der Alpen von Jägern und Förstern durchgeführt. Seit 2015 koordiniert der WWF eine Gruppe von Freiwilligen, die in den wieder zu öffnenden Gebieten arbeiten.

Die meisten Umweltverbände sind sich zwar darüber im Klaren, dass die Jagd nicht der Hauptfaktor für den Rückgang der Birkhuhnpopulation ist, allerdings betonen viele dieser Verbände, dass es besser wäre, auch diesen Druck auf die Population abzuschaffen. Sie sind nicht gegen die Jagd auf das Schalenwild, weil sie sich der Notwendigkeit einer Regulierung dieser Arten bewusst sind. Allerdings sind sie zunehmend gegen die, in ihren Augen, «unnötige» Jagd. Vielleicht war es das, was einen Parlamentarier dazu veranlasste, die Einstellung der Jagd auf das Birkhuhn zu fordern. Er hielt es für absurd, eine «potenziell bedrohte» Art zu jagen. Der Parlamentarier erreichte, dass das Birkhuhn im Jahr 2023 aus dem Jagdplan gestrichen wurde.

Als Manue Piachaud den Wildhüter traf, sagte dieser melancholisch: «Im Kanton Waadt jagen wir schon seit Langem keine Murmeltiere mehr, aber niemand interessiert sich mehr für Murmeltiere! Wir Wildhüter werden nicht einmal mehr gebeten, Zählungen durchzuführen, schon gar nicht von Murmeltieren! Und dann ist da noch das Birkhuhn... es macht den Anschein, dass es auch bei diesem so kommen wird.» Es stellt sich die Frage, wie viele Menschen in einigen Jahren noch von der Existenz dieses Vogels in der Schweiz wissen werden. Einige Jäger haben von Aktionen zugunsten des Birkhuhns und vom AATT Abstand genommen, um gegen die Streichung des Birkwildes aus dem Jagdplan zu demonstrieren und zu zeigen, dass wenn die Art nicht mehr bejagt werden darf, auch nichts für ihr Überleben getan wird.

Einige Jäger sind in der AATT geblieben, aber sie verstehen die Reaktion ihrer Jagdkollegen auf die Absurdität eines Jagdverbots, wenn viele Menschen nicht einmal wissen, dass das Birkhuhn existiert und dass sie selbst als Wanderer oder Skifahrer einen weitaus grösseren Einfluss auf das Birkhuhn haben als die Jagd.

Da es immer schwieriger wird, Freiwillige zu finden, hat sich Manue Piachaud bereits an Firmen gewandt, die einen Arbeitseinsatz auf der Alp als Firmenausflug machen, um auf diese Weise Freiwillige zu finden. Das Ziel ist es, einen harten Kern an Helfern zu generieren, der bereit ist, sich jedes Jahr zu engagieren und beim Einzäunen der Ziegen zu helfen.

Diese Arbeit ist sehr aufwendig, da auf Grund der Vorgaben des Wolfsschutzes fünf Drahtlitzen gezogen werden müssen. Für einen Hektar Weide bedeutet dies, dass 30 Holzpfähle und 135 Kunststoffpfähle gesetzt, 150 Isolatoren eingeschraubt und 2500 laufende Meter Draht verlegt werden müssen. Dies ist auf Grund der Topografie keine leichte Aufgabe. Aber mit nur fünf motivierten Personen kann ein Hektar an einem Tag eingezäunt werden.

Erweiterung auf mehrere Bergweiden

Da die Zahl an Freiwilligen sinkt, muss die AATT ihr Tätigkeitsgebiet vervielfachen, indem sie die Zahl der von den Ziegen bewirtschafteten Alpweiden weiter ausbreitet. Das Ziel ist es nicht, möglichst viele Hektar auf einer einzigen Alp zu bewirtschaften, sondern möglichst viele kleinere Flächen zur Bekämpfung der Grünerle zu pflegen.

Im Jahr 2023 wurden Ziegen auf einer neuen Alp oberhalb des Lac des Chavonnes (Ormont-dessous, Waadt) eingesetzt. Ein Freiwilliger, der bei der Beseitigung von Zäunen in diesem Gebiet half, war in den frühen Morgenstunden begeistert von der Anzahl Birkhühner, die er fotografieren konnte.

Zusätzlich zu den drei im kantonalen Projekt vorgesehenen Alpen wird die AATT im Jahr 2024 eine dritte Alp auf dem Col du Pillon, gegenüber der Seilbahn des Glacier 3000, in Betrieb nehmen. Auf diese Weise können sie den Zugang zu einem Gebiet unterbinden, in welchem das Birkhuhn sehr präsent ist. Es hat sich gezeigt, dass ein Birkhuhn fünf Standortwechsel auf Grund der Beunruhigung durch Skifahrer abseits der Piste nicht überleben kann. Die Präsenz von AATT auf dieser Alp ermöglicht es, weitere Fortschritte bei der Erhaltung des Birkhuhns zu erzielen.

Alle diese Flächen werden in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Förster, den Landwirten, einem Agronomen und dem derzeit im Ruhestand befindlichen, aber immer noch passionierten Wildhüter ausgewählt, um sicherzustellen, dass es sich um für das Birkhuhn geeignete und für den Landwirt nützliche Flächen handelt.

Obwohl jede dieser Interessengruppen eigene Vorstellungen hat, gibt es gemeinsame Ideen, deren Bündelung und Mobilisierung eine grosse Herausforderung ist, der sich die AATT stellt. Der Verein «Alpine Tetrao Tetrix» ist nicht nur eine technische und logistische Hilfsorganisation, sondern widmet sich auch der Arbeit mit Lebewesen: Menschen, Pflanzen und Tieren. Alles Wesen, die sich ständig weiterentwickeln und deren Verhalten, Instinkte und Bedürfnisse verstanden werden müssen, um eine nachhaltige Nutzung der Natur zu garantieren.

 

Safari Club International
Helvetia Chapter

Der SCI Helvetia Chapter, die Schweizer Sektion des Safari Club International (SCI), leistet einen wichtigen Beitrag für die weltweite Jägerschaft. Als eine der führenden Organisationen setzt sich der SCI unermüdlich dafür ein, das Recht auf Jagd zu schützen und gleichzeitig den Schutz von Wildtieren auf globaler Ebene voranzutreiben.

Die Aktivitäten des SCI erstrecken sich über eine Vielzahl von Bereichen, die von internationalen Initiativen bis hin zu lokalen Projekten reichen. Insbesondere durch Spendenbankette und Veranstaltungen generiert der SCI jährlich weltweit über 5 Millionen Dollar, die gezielt in von den örtlichen Verbänden geleitete Projekte investiert werden. Diese Projekte fokussieren sich dabei auf die Bewahrung von Jagdtraditionen, die Aufklärungsarbeit bezüglich des Wildtierschutzes sowie die Unterstützung von Naturschutzinitiativen.

Darüber hinaus haben Initiativen wie die SCI-Foundation über 300 Millionen Dollar zur Erhaltung der Flora und Fauna beigetragen. Der SCI setzt sich für eine verantwortungsvolle Jagd und eine evidenzbasierte Politik ein und arbeitet dabei oft mit anderen internationalen Jagdorganisationen zusammen.

Published on 20 June 2024

 

Safari n.
(Late 19th century, word Kiswahili, from Arabic safara, to travel)
An expedition to observe or hunt animals in their natural habitat, especially in East Africa.